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Jahresbericht 2022

 AGV Nordostchemie & VCI Nordost 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Hoffnungen zu Beginn des Jahres 2022 waren groß, dass wir nach von Corona geprägten Jahren wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen. Mit Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine begann jedoch eine ganz neue Zeitrechnung. Von dieser Zeitenwende, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz bereits drei Tage nach Kriegsausbruch prognostizierte, ist Ostdeutschland – und unsere Branche im Besonderen – überproportional stark betroffen.

Das gilt für die unternehmerischen Verflechtungen genauso wie für die Versorgung mit Energie und Rohstoffen. Die Unternehmen trieb die Sorge um ihre Beschäftigten, die Menschen in den betroffenen Regionen, und gleichzeitig die unkalkulierbaren Risiken für die heimische Produktion und der Erhalt ganzer Produktionsketten für lebenswichtige Produkte um. Ein schwieriger Spagat zwischen der angemessenen Reaktion auf einen durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg Russlands und gleichzeitig der Bewahrung der eigenen Handlungsfähigkeit.

Was hat die Arbeit unserer Verbände ausgezeichnet? In der Situation der maximalen Unsicherheit war unsere Botschaft: Kommt die Chemie zum Erliegen, steht die ganze Volkswirtschaft – mit verheerenden ökonomischen und vor allem auch sozialen Folgen. In den teils sehr emotional aufgeladenen Debatten über Sanktionen und Embargos haben wir diesen Standpunkt beharrlich – auch angesichts teils heftigen Gegenwinds – vertreten und uns für eine temporäre Weiterversorgung mit russischem Gas und Öl eingesetzt.

Doch unser Anliegen war und ist keineswegs ein Festhalten an einem Status quo, einem Weiter so. Ganz im Gegenteil: Die Chemie befindet sich schon seit langem, weit vor Kriegsausbruch, in einem umfassenden Transformationsprozess, an dessen Ende eine klimaneutrale, nachhaltige und zugleich wettbewerbsfähige Produktion stehen soll. Die Unternehmen hatten also bereits zuvor ambitionierte Ziele und Pläne für die vielfältigen Herausforderungen. Und, daran hält unsere Branche nach wie vor fest. Doch der Krieg beschleunigt die Transformation und erschwert sie zugleich.

Die Unternehmen kamen 2022 an ihre Belastungsgrenze, in nicht wenigen Fällen wurde diese auch überschritten. Die Folge waren Produktionsdrosselungen und Kurzarbeit. Vor diesem volatilen Hintergrund stellte die Tarifrunde Chemie die Sozialpartnerschaft auf eine nie dagewesene Belastungsprobe. In einer beispiellosen Verhandlung – zum Auftakt bei einer denkwürdigen Regionalrunde Nordost in Leuna, die den Takt für die folgenden Bundesrunden in Wiesbaden und Hannover vorgab – wurde zunächst eine Brückenlösung und im Herbst ein Abschluss erzielt. Begleitet von viel Anerkennung weit über die Grenzen unserer Branche hinaus, haben wir ein Zeichen für konstruktive und vertrauensvolle Sozialpartnerschaft gesetzt.

Allerdings bereiten uns andere Rahmenbedingungen, unter denen wir in Deutschland produzieren und uns transformieren müssen, erhebliche Sorgen. Mit schleppenden Planungs- und Genehmigungsverfahren, einer überbordenden Bürokratie und einer teils sehr kurz gedachten Energiepolitik sowie Verbotskultur stellen sich Deutschland und Europa zunehmend selbst ins Abseits. Von Bad Saarow über Berlin bis nach Brüssel waren wir daher im letzten Jahr wieder unterwegs, um uns aktiv einzubringen, auf Missstände aufmerksam zu machen und somit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen langfristig zu sichern.

Zugleich verändert sich aber auch die Verbandsarbeit. Die Unternehmen brauchen eine schnelle und fundierte Aufbereitung komplexer und sich ständig verändernder Rahmenbedingungen sowie Unterstützung bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen – von der Energiekrise bis hin zur Fachkräftegewinnung. Und das leisten unsere Verbände mit Bravour: Wir sind für unsere Unternehmen da. Wir sind am Puls der Zeit und gestalten die Zukunft der Industrie aktiv mit. Wir haben einen Plan, eine Strategie 2030, die wir gemeinsam mit unseren Unternehmen erarbeitet haben und die unsere Topthemen sowie konkrete Maßnahmen beinhaltet.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Zeiten sind so herausfordernd wie selten zuvor, aber gemeinsam werden wir gestärkt aus ihnen hervorgehen – davon sind wir überzeugt. Neben den vielen dunklen Wolken des letzten Jahres gab es so manchen Lichtblick. Wir haben gezeigt: Auf die Chemie ist Verlass, wir sind Treiber und zugleich unverzichtbarer Pfeiler der Transformation in allen Bereichen.

 

Gemeinsam haben wir in diesem Ausnahmejahr viel bewegt. Der Dank gilt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Ehrenamtlichen unserer Gremien für ihr unermüdliches Engagement. Wir werden den eingeschlagenen Weg fortsetzen und alles daran setzten, die Anliegen unserer Mitglieder verantwortungsvoll voranzutreiben.

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DR. CHRISTIAN

MATSCHKE
Vorstandsvorsitzender
VCI e.V.,
Landesverband Nordost

NORA

SCHMIDT-KESSELER
Hauptgeschäfstführerin
Nordostchemie-Verbände

JÜRGEN
FUCHS

Vorstandsvorsitzender
Arbeitgeberverband
Nordostchemie e.V.

Highlights 2022
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 Highlights 2022 

 Stimme in der Krise 

Starke Stimme

Zwischen Schadensbegrenzung und Systemrelevanz

Das alles überstrahlende Thema war für unsere Unternehmen und somit auch die Verbandsarbeit der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende (Energie-)Krise. Die Krise war – und sie ist es immer noch – für die Chemieindustrie existenzbedrohend. In unserem Verbandsgebiet, in Ostdeutschland, stellte sich die Situation besonders prekär dar, aufgrund der bisherigen und fast gänzlich Pipeline-gebundenen Versorgung mit Öl und Gas aus Russland.

Die ersten Monate des Jahres waren vor allem von großen Sorgen um die weitere Verfügbarkeit von Gas – nicht nur wichtiger Energieträger, auch unverzichtbarer Rohstoff für wichtige Produkte – geprägt. Es war völlig unklar, ob und auch von welcher Seite die Lieferungen von jetzt auf gleich gekappt werden und wie wir unsere Produktionen überhaupt am Laufen halten können. Als VCI Nordost haben wir uns von Beginn an intensiv dafür eingesetzt, keine überstürzten politischen Maßnahmen zu ergreifen und Embargos zu verhängen, die am Ende weniger Russland, sondern mehr uns in Deutschland geschadet und somit auch den Handlungsspielraum und die Möglichkeiten zur Unterstützung der Ukraine eingeschränkt hätten.

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Bei der Forderung nach einer Weiterversorgung mit russischem Gas haben wir vor allem in der Öffentlichkeit heftige Reaktionen erfahren, aber unbeirrt in zahllosen (politischen) Gesprächen und Statements unsere Positionen deutlich gemacht. Unsere Botschaft: Ohne Gas steht die Chemie still und ohne Chemie die ganze Volkswirtschaft: Mit verheerenden ökonomischen und vor allem auch sozialen Verwerfungen.

Unterstützung in der Krise

Bei unseren Unternehmen herrschte in Anbetracht einer drohenden Gasmangellage und möglicher Produktionsausfälle Verunsicherung bezüglich der rechtlichen Folgen. In einem Webinar in Zusammenarbeit mit einer auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwaltsgesellschaft informierten und berieten wir unsere Mitglieder zu rechtlichen Folgen, Handlungsoptionen und zu Konsequenzen für Bezugs- und Absatzverträge einschließlich dem Umgang mit Preissteigerungen in der Lieferkette.

In einem weiteren Webinar ging es um das Thema Versorgungssicherheit und Verhaltensweisen als Unternehmen in einer Gasmangellage. Zudem wurden die Mitglieder mit unseren Nachrichtendiensten über aktuelle Entwicklungen und politische Beschlüsse auf dem Laufen gehalten und Erläuterung zu Förder- und Entlastungsprogrammen erarbeitet.

Die politischen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges haben erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmensalltag der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Schon kurz nach Ausbruch des Kriegs hatte der VCI in Form eines Helpdesks begonnen, alle relevanten Informationen für seine Mitgliedsunternehmen zusammenzustellen und bei Bedarf beratend zur Seite zur stehen.

Transformation und Wettbewerbsfähigkeit

Das Jahr 2022 stand für unsere Branche und die Verbandsarbeit auch mehr denn je im Zeichen der Transformation, da die Krise als wahrer Veränderungsbeschleuniger wirkt. Die Anforderungen an die Chemie sind vielfältig: Treibhausgasneutralität, Digitalisierung oder auch Kreislaufwirtschaft. Hinzu kamen der Krieg und die daraus resultierende Energiekrise, steigende Rohstoffpreise, Lieferengpässe und nicht zum Schluss die überbordende Bürokratie.

 

Die Branche nimmt diese umfassenden Herausforderungen an und will gestärkt aus der Transformation hervorgehen. Es gibt viele zukunftsweisende Projekte und Vorhaben im Verbandsgebiet. Jetzt kommt das große ABER: Um uns bei dieser Entwicklung nicht selbst im Weg zu stehen und auch langfristig attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Die Energiepreise sind das eine, Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine Überregulierung sind ebenfalls große Risikofaktoren. Teils sind die Probleme hausgemacht – also auf Ebene der Länder und des Bundes. Auf Ebene der Länder haben wir unter anderen mit dem Round Table Chemie in Sachsen ein neues Format etabliert, in dessen Fokus der regelmäßige Austausch zu Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Wasser mit den zuständigen Ministerien und politischen Akteuren steht.

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Immer häufiger werden die Weichen für unsere Industrie jedoch auf EU-Ebene gestellt. Aus diesem Grund haben wir im Dezember 2022 mit den Wirtschaftsministern aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt sehr erfolgreich den „1. Ostdeutschen Europadialog“ zur EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit veranstaltet.

 

Bei diesem informierten und diskutierten wir über die tiefgreifenden Auswirkungen des pauschalen Verbots bestimmter Stoffe bzw. Stoffgruppen auf die Verfügbarkeit von Industrieprodukten, Arzneimitteln und die Verfügbarkeit von Chemikalien – die Fortsetzung des Dialogs ist schon in Planung.

Transformation aktiv gestalten

Bei der Transformation rückt das Thema Wasserstoff immer stärker in den Fokus. Für die Chemie spielt das Molekül schon eine gewichtige Rolle für die Produktion und vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität auch als Energieträger.

Aus dem Grund hat der VCI Nordost im Jahr 2022 eine Studie zum Thema Wasserstoff beim Fraunhofer IWES in Auftrag gegeben. Ziel ist die Erstellung einer "Wasserstoffstrategie für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Ostdeutschland", die die notwendigen politischen Rahmenbedingungen zum bedarfsgerechten Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft enthält. Zahlreiche Betriebe haben sich an der Umfrage und den Experteninterviews beteiligt, die Fertigstellung und Veröffentlichung erfolgt im ersten Halbjahr 2023.

Pharma im Fokus

Im Bereich Pharma fanden Austausche auf Ministerebene sowie Fortsetzung der Dialoge auf Arbeitsebene statt. Mit Ministerin Petra Grimm-Benne (Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung) sowie den Ministern Sven Schulze (Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten) und Prof. Dr. Armin Willingmann (Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt) waren gleich drei Mitglieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt zum Pharmadialog nach Dessau-Roßlau zur Oncotec Pharma Produktion GmbH gekommen. Im Rahmen des Austausches sprachen sie mit Branchenvertretern über die Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie sowie zu regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen. Ergebnis war, den Austausch auf Arbeitsebene fortzuführen, und es folgten noch in 2022 zwei Termine zum Thema Energie.

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 Sozialpartnerschaft auf dem Prüfstand 

Sozialpartnerschaft 4.0

Der russische Überfall auf die Ukraine ereignete sich kurz vor dem Start der Tarifrunde 2022 und stellte die Sozialpartnerschaft auf einen echten Prüfstand. Waren der Krieg und dessen Tragweite in den Regionalrunden der anderen Landesverbände noch im Hintergrund, so rückte er – vor allem durch die überdurchschnittliche, direkte Betroffenheit in Ostdeutschland – ab den in Leuna stattfindenden Verhandlung für Nordost in den Fokus und dominierte dann die weiteren Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft.

In einer noch nie dagewesenen Aktion wurde die Verhandlungsrunde daraufhin unterbrochen und im April ein Zwischenabschluss für sieben Monate vereinbart. Das von der IGBCE auch noch nach dem 24. Februar eingeforderte „Bollwerk gegen die Inflation“ schmolz auf eine verantwortungsvolle Brückenlösung mit Einmalzahlung ab. Die Fortsetzung der Tarifverhandlungen im Herbst gestaltete sich vor dem Hintergrund des Krieges und gleichzeitig einer hohen Inflationsrate schwierig, bis im Oktober in einem Kraftakt eine Einigung mit Augenmaß erzielt wurde.

Ein Abschluss mit Symbolkraft

In Zeiten enorm hoher Unsicherheit verschaffte sie den Arbeitgebern langfristige Planungssicherheit und hält die Kosten nicht zuletzt durch Einbindung der Inflationsausgleichsprämie im Rahmen. Für diesen Abschluss ernteten beide Seiten allseits viel Lob, auch aus der breiten Medienwelt. Der Abschluss zeigt zudem: Wir haben eine gute und funktionierende Sozialpartnerschaft, auf die uns auch in Krisen verlassen können.

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Im November gab es einen Wechsel an der Spitze des Sozialpolitischen Ausschusses Ost (SPA) des AGV Nordostchemie. Jens Haselow (PCK Raffinerie GmbH) wurde von den SPA-Mitgliedern gewählt und folgte auf den langjährigen Vorsitzenden Thomas Naujoks (MDSE Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH), der sich in zahlreichen Verhandlungen und in den Gremien des BAVC für die Belange aus Nordost eingesetzt hat; altersbedingt gab er das Amt ab. Zugleich wurde Haselow durch den SPA-Vorsitz Mitglied im Vorstand des AGV.

Gelebte Sozialpartnerschaft

BAVC und IGBCE spendeten über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) 1 Million Euro, die insbesondere zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter eingesetzt werden. Im Rahmen dieses Engagements haben AGV Nordostchemie und IGBCE Nordost 70.000 Euro für die regionale Realisierung von work4u in Berlin gespendet. Dabei handelt es sich um ein Projekt der JOBLINGE Berlin für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer. (BILD)

Zudem werden sozialpartnerschaftlich Auszubildende mit Förderbedarf aus den Mitgliedsunternehmen unterstützt. Drei Millionen Euro stehen im neuen UCI-Programm „AusbildungPlus“ bereit. Mit den Mitteln werden junge Menschen mit pandemiebedingten Lernrückständen in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert.

Am Puls der Zeit

Das Beratungs- und Leistungsangebot für Mitgliedsunternehmen des AGV wurde weiterentwickelt, insbesondere was den exklusiv für die Mitgliedsunternehmen zugänglichen Mitgliederbereich angeht. Dort wurde unter anderem das neue BAVC-Rechtsportal integriert. Schließlich wurden die Unternehmen mit dem tagesaktuellen Nachrichtendienst "AGV AKTUELL" zu Neuerungen im Arbeitsrecht sowie tarifpolitischen Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten.

Besonders hervorzuheben sind das Seminar- und Weiterbildungsangebot sowie das Format "Arbeitsrechtliches Frühstück". Letzteres wurde mehrfach aus aktuellem Anlass und mit einer hohen Zahl an Teilnehmenden durchgeführt. Externe Expertinnen und Experten, aber auch die Spezialisten der Abteilung Tarifpolitik, Tarif- und Arbeitsrecht informierten über aktuelle Themen und Entwicklungen und beantworteten Fragen. In Webinaren wurden die Mitgliedsunternehmen zur Qualifizierungsoffensive Chemie mit dem Tool Pythia zur strategischen Personalplanung sowie dem Future Skills Report informiert.

Die Geschäftsstellen in Berlin, Dresden und Halle veranstalteten 2022 jeweils zwei Personalleiter- und Personalreferentenkreise für die Mitgliedsunternehmen, die großen Zuspruch fanden. Im zweiten Halbjahr wurden vermehrt Veranstaltungen in Präsenz durchgeführt, aber auch die virtuellen Formate erfreuten sich großer Nachfrage.

Nachhaltigkeit & Nachwuchs

 Nachhaltigkeit und Nachwuchs fest im Blick 

Interesse für MINT wecken, Perspektiven aufzeigen

Um den Nachwuchs für MINT und somit auch für Chemie zu begeistern, haben wir unser Engagement auch im vergangenen Jahr über die gesamte Bildungskette – von der Kita bis in die Hochschulen – fortgeführt und vertieft.

   

​Herzstück der Aktivitäten waren die Fortbildungen für Lehrkräfte aus dem gesamten Verbandsgebiet, die wir gemeinsam mit Kooperationspartnern anboten. Die Bandbreite war groß und richtete sich an Chemielehrkräfte, Lehrkräfte der Naturwissenschaften sowie Erzieher und Erzieherinnen. Insgesamt wurden 16 Fortbildungen, davon erstmals zwei Lehrkräftekongresse in einem Jahr, durchgeführt. Unser Zeichen an die Lehrkräfte nach Jahren der Pandemie: Es geht wieder los.

 

Der von uns unterstützte Experimentalwettbewerb Chemkids wendet sich an Schüler und Schülerinnen der Klassenstufen 4 bis 8 in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im vergangenen Jahr wurden jeweils eine Herbst- und eine Frühjahrsrunde durchgeführt. Jährlich nehmen über 4.000 Kinder und Jugendliche aus dem Verbandsgebiet teil. Ein Highlight für die Schülerinnen und Schüler war das "Schülerpraktikum" im Schülerlabor "Chemie zum Anfassen" an der Hochschule Merseburg für die Preisträgerinnen und Preisträger des Schuljahrs 2021/2022. Insgesamt 36 Kinder und Jugendliche aus allen ostdeutschen Bundesländern waren dabei. Auf dem Plan standen Vorlesungen, Experimentieren im Schülerlabor sowie ein umfangreiches Rahmenprogramm.

Gemeinsam für einen starken Chemieunterricht

Das Unterrichtsfach Chemie lädt gerade dazu ein, Theorie mit spannenden Experimenten praxisnah zu vermitteln. Leider mangelt es an vielen Schulen an der hierfür benötigten Ausstattung. Daher haben die Nordostchemie-Verbände gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen die Aktion "Pro Chemieunterricht" ins Leben gerufen: Unterstützt ein Unternehmen eine Bildungseinrichtung (Schule oder Schülerlabor) in seiner Nachbarschaft, verdoppeln die Verbände den Betrag. Insgesamt fünf Bildungseinrichtungen konnten sich 2022 über Spenden in einer Gesamthöhe von 23.000 Euro (Anteil Nordostchemie-Verbände: 11.500 Euro) freuen.

Im Bereich Hochschule waren wir ebenfalls wieder aktiv. Unter dem Titel In Kooperation mit der Fachschaft Pharmazie fand an der FU Berlin das Format "Industrie stellt sich vor" statt. Bei der Veranstaltung informierten unsere Mitgliedsunternehmen über Betätigungsfelder für Pharmaziestudierende in Produktion, Zulassung und Regulatory Affairs.

Herzstück der Fachkräftegewinnung

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Die Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Ostdeutschland haben sich auch im Krisenjahr 2022 zur dualen Ausbildung bekannt und die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich gesteigert. Trotz der enormen Unsicherheiten durch den Krieg, hohe Energie- und Rohstoffkosten sowie anhaltende Herausforderungen durch die Corona-Pandemie konnten mehr junge Menschen als im Vorjahr für eine Lehre gewonnen werden. Die Übernahmequote der ausgelernten Auszubildenden bleibt auf einem konstant sehr hohen Niveau. Einziger Wermutstropfen ist das Verhältnis von Angebot und Besetzung, das leicht rückläufig war.

Interesse wecken, Azubimarketing ausbauen

Die Schere zwischen angebotenen und besetzten Ausbildungsplätzen geht deutschlandweit und branchenübergreifend weiter auseinander. Diese Lücke wollen wir gemeinsam mit unseren Unternehmen wieder schließen. Der AGV Nordostchemie unterstützte seine Mitglieder im vergangenen Jahr wieder durch gezieltes Azubimarketing und eigene Kampagnen. Im Frühjahr ging die Last-Minute-Ausbildungsbörse auf dem Chemie-Azubi-Blog in die nächste Runde. Auf der Plattform werden die noch freien Plätze gesammelt und zielgruppengenau beworben.

 

Ebenfalls auf dem reichweitenstarken Blog wurden persönliche Porträts von Auszubildenden aus unseren Mitgliedsunternehmen veröffentlicht sowie ein Weihnachtsgewinnspiel für jungen Menschen und die Azubis aus den Mitgliedsunternehmen veranstaltet. In einem gemeinsamen Webinar mit dem BAVC stellten wir zudem weitere Instrumente und Services für die Unternehmen vor; u.a. die Tools der Kampagne „Elementare Vielfalt“.

Immer mehr an Bedeutung gewinnt der verbandseigene Instagram-Kanal, auf dem wir die jungen Menschen für Chemie und in unsere Branche begeistern. Die Botschaft: „Ohne die Chemie gibt es keine Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Mitmachen und aktiv die Zukunft mitgestalten.“

Nachhaltigkeit als Standard

Seit Beginn des Ausbildungsjahres 2021 gehört Nachhaltigkeit zum Pflichtprogramm für Auszubildende. Das verlangt die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Mit Nachhaltigkeit in der Ausbildung punkten – ein Angebot für Arbeitgeber" setzten wir unser Engagement in 2022 in Form von Workshops für die Ausbilderinnen und Ausbilder fort. Mit viel Interaktion wurden dort gemeinsam Ideen erarbeitet, wie sich das Topthema Nachhaltigkeit auf den betrieblichen Lernort zuschneiden lässt. Die Veranstaltungsreihe fand in Kooperation mit Provadis, Projektträger von ANLIN², statt unter dem Dach von Chemie³, der Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Chemie.

Verantwortung übernehmen, Nachhaltigkeit leben

Gesucht waren beim Responsible-Care-Wettbewerb waren im Jahr 2022 gute Ideen für eine offene, transparente Kommunikation. Schließlich braucht die ostdeutsche chemisch-pharmazeutische Industrie für ihre zentrale Rolle im Transformationsprozess der Wirtschaft eine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

 

Den Landessieg trug die InfraLeuna GmbH mit dem Projekt „Besucherinformationszentrum: Forum für Dialog am Chemiestandort Leuna“ davon. Mit einer multimedialen und interaktiven Ausstellung kommt der Standort mit allen interessierten Besuchern vom Schüler bis zum Politiker ins Gespräch.

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Im Juni 2021 beschloss der Deutsche Bundestag das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das im Kern auf die Achtung der Menschenrechte in der globalen Lieferkette abzielt. Seit Januar 2023 ist das LkSG in Kraft; schon davor waren viele Unternehmen verunsichert. Eine Abfrage der Chemie³-Allianzpartner BAVC, VCI und IGBCE unter den Mitgliedern ergab großen Bedarf an Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten. Zu diesem Zweck wurde zusammen mit der Managementberatung „Löning – Human Rights & Responsible Business“ der Chemie3-Branchenstandard für nachhaltige Wertschöpfung entwickelt. Die Nordostchemie-Verbände brachten sich in sämtlichen Werkstattgesprächen mit den Vertretern von Chemie³ und von Löning wie auch bei den Austauschformaten mit VCI und BAVC ein.

Nachhaltigkeit in die Unternehmen bringen

Auf dem 1. BioZ-Strategieforum im Chemie- und Industriepark Zeitz im November 2022 zum Thema „Standortfaktoren für die nachhaltige Chemie“ stellten wir Chemie³ und den Branchenstandard vor. Über den jeweils aktuellen Stand informieren wir auch intern im UTE-Ausschuss sowie auf Anfrage einzelner Mitglieder.

 

Mit einem neuen Nachrichtendienst Nachhaltigkeit halten wir unsere Mitglieder fortlaufend über den Fortgang der in Berlin wie in Brüssel forcierten Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit in Deutschland wie in Europa informiert. Darin empfehlen wir jedes Mal, den Newsletter gern an Kollegen der Empfänger weiterzuleiten, die mit dem Querschnittsthema Nachhaltigkeit befasst sind wie Einkaufs-, Rechts-, Personal-, Compliance-, Arbeitsschutz-, Nachhaltigkeits- und M&A-Verantwortliche. Unser Nachhaltigkeits-Netzwerk wächst so beständig.

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Digitales Labyrinth

 Zahlen, Daten und Fakten 

Zahlen, Daten & Fakten

Ostchemie 2022: zunächst mit einem Kostenproblem, dann kam Nachfragemangel hinzu

Das Jahr 2022 gilt als eine Zeitenwende. Der chemisch-pharmazeutischen Industrie Ostdeutschlands brachte es einen erheblichen Zuwachs an Unsicherheit: über die Verfügbarkeit von Energie, deren Preis und die wirtschaftlichen Folgen eines Krieges in Europa.

Nominal kletterte 2022 der Umsatz der Ostchemie auf gut 38 Milliarden Euro, ein Fünftel mehr als 2021. Parallel legten die Erzeugerpreise ebenso rasant zu (+22 Prozent), maßgeblich getrieben von enorm gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Zum Bild dazu gehört, dass die Kapazitäten der Ostchemie mit 79 Prozent so niedrig wie zuletzt während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 ausgelastet waren. Deutschlandweit brach die Chemieproduktion ohne Pharma um annähernd zwölf Prozent ein. Insbesondere in der besonders energieintensiven Grundstoffchemie kam es zu Produktionsdrosselungen da, wo die Herstellung unrentabel wurde.

Ganz besonders die Chemie leidet unter der Gaskrise, ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine, und einer Stromkrise infolge des Aufeinandertreffens von Gaskrise und Energie- und Klimapolitik. Eine ausreichende Versorgung mit Gas und Strom ist vorerst nicht zweifelsfrei gesichert und es zeichnet sich ab, dass Energie langfristig hierzulande nicht nur deutlich mehr kostet als früher, sondern auch mehr kostet als in anderen Regionen der Welt. Zu diesen europäischen, vor allem aber deutschen Sorgen kam eine weltweit abflauende wirtschaftliche Dynamik mit nachlassender Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen hinzu. Schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit der Ostchemie.

 

Entsprechend überwog der Pessimismus bei der Einschätzung von Lage und Erwartungen in den Chefetagen der Ostchemie. Der VCI Frankfurt ging von einer Fortsetzung des Produktionsrückgangs in der Chemie 2023 aus.

55.700

Beschäftigte in der
Ostchemie 2022

38,4

Mrd. Umsatz der
Ostchemie 2022

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In verschiedenen Formaten stellen wir unseren Mitgliedern Analysen zur Verfügung. Mit "Wirtschaft AKTUELL" erscheinen vierteljährlich Lageberichte, die einen schnellen Überblick zur aktuellen Chemiekonjunktur in Ostdeutschland liefern. Die Reihe "Wirtschaft KOMPAKT" richtet den Scheinwerfer auf die spezifische Struktur der chemisch-pharmazeutischen Industrie in jeweils einem der sechs Bundesländer unseres Verbandsgebietes.

Im Verbraucherpreisindex stellen wir monatlich die wichtigsten Informationen zur aktuellen Inflationsrate in Deutschland zusammen, Grafiken zur Entwicklung im Zeitablauf inklusive.

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Als wertvollen Service für unsere Mitglieder erheben wir monatlich den Krankenstand in den Unternehmen und stellen ihnen anschließend die Auswertungen als Benchmark zur Verfügung.

 

Das Jahr 2022 lieferte einen Negativrekord: Die Krankenstandsquote in den teilnehmenden Mitgliedsunternehmen stieg sprunghaft an und erreichte einen Jahresdurchschnitt von 7,9 Prozent, 1,5 Punkte höher als 2021. Das ist der höchste Wert, den der Arbeitgeberverband Nordostchemie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2000 ermittelt hat. Deutschlandweit lag die Ausfallquote ebenfalls außergewöhnlich hoch; in erster Linie waren Atemwegserkrankungen für die Rekordfehlzeiten verantwortlich.

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